Hepatitis E auch in Deutschland relevant

Die Hepatitis E kommt auch in Deutschland häufig vor. Bei der labordiagnostischen Abklärung einer akuten Hepatitis sollte deshalb auch an die Hepatitis E gedacht werden.

Die Hepatitis E ist die fünfte Form der klassischen Virushepatitiden, die durch die Hepatitisviren A, B, C, D und E verursacht werden.

Hepatitis E ist nicht gleich Hepatitis E

Lange Zeit galt die Hepatitis E als eine nach Deutschland eingeschleppte Erkrankung, die auf Reisen in Länder mit niedrigerem Hygienestandard in Asien und Afrika erworben wird. Diese Ansicht musste in den letzten Jahren korrigiert werden. Es besteht kein Zweifel mehr, dass die Mehrzahl der in Deutschland auftretenden Hepatitis-E-Infektionen durch sogenannte autochthone, d.h. im Land selbst erworbene Infektionen verursacht wird. Hauptvertreter ist hier das Hepatitis-E-Virus (HEV) des Genotyps 3. Diese Untergruppe unterscheidet sich im Übertragungsweg deutlich von Viren des reiseassoziierten Genotyps 1, der nur beim Menschen vorkommt und über verschmutztes Trinkwasser übertragen wird. Im Gegensatz dazu sind Viren des Genotyps 3 auch unter Schweinen und Wildschweinen in Deutschland weit verbreitet. Die Übertragung auf den Menschen dürfte in erster Linie als Zoonose durch den Genuss nicht ausreichend erhitzten Fleisches und Innereien infizierter Tiere erfolgen. Infektionen durch kontaminierte pflanzliche Lebensmittel wie Salat oder Gemüse, durch Muscheln oder durch engen Kontakt mit infizierten Tieren sind aber nicht auszuschließen. Dagegen scheinen Infektionen von Mensch zu Mensch für den Genotyp 3 nicht vorzukommen oder extrem selten zu sein.

HEV-Infektionen führen bei Personen mit intaktem Immunsystem zwar nur sehr selten zu einer manifesten Erkrankung, stellen aber für Menschen unter Immunsuppression durchaus eine Gefahr dar. Hier können sie chronische Verläufe verursachen, die wie andere chronische Virushepatitiden auch zu Leberfibrose und -zirrhose fortschreiten können.

In Deutschland häufiger als früher angenommen

Die Zahl der gemeldeten HEV-Erkrankungen hat in den letzten Jahren in Deutschland dramatisch zugenommen. Eine erste konkrete Vorstellung vom Ausmaß der Hepatitis-E-Infektion in Deutschland lieferte eine kürzlich erschienene Studie zur Prävalenz von Antikörpern gegen HEV in der deutschen Bevölkerung. Im Rahmen des von 2009–2011 durchgeführten Deutschen-Erwachsenen-Gesundheits-Surveys (DEGS) des Robert Koch-Instituts wurde eine für die Gesamtbevölkerung repräsentative Untergruppe von 4.422 Personen auf Anti-HEV getestet. Das überraschende Ergebnis: die mittlere Anti-HEV-Prävalenz der deutschen Bevölkerung beträgt 16,8%. Aufgrund dieser Zahl muss man davon ausgehen, dass es jedes Jahr zu mehr als 300.000 Neuinfektionen kommt – in der überwiegenden Mehrheit offenbar ohne Symptome. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Zahlen noch zu niedrig sind.

Praevalenz
Abbildung: Eine repräsentative Gruppe der deutschen erwachsenen Bevölkerung (n = 4.422) von 18–79 Jahren wurde auf Anti-HEV untersucht (Faber, M.S. & Wenzel J.J. et al.: Hepatitis E virus seroprevalence among adults, Germany. Emerging Infectious Diseases 2012; 18:1654–1657 doi: 10.3201/eid1810.111756 ).

Bei einer vergleichenden Analyse der drei am häufigsten für derartige Studien eingesetzten Antikörperteste zeigte sich, dass diese drei Verfahren Antikörper der Klasse IgG gegen HEV in sehr unterschiedlicher Empfindlichkeit erfassen. Danach könnten die in der DEGS-Studie erhobenen Zahlen, die mit dem Anti-HEV-Test mittlerer Empfindlichkeit gewonnen wurden, tatsächlich noch um ca. 70% höher liegen.

Einen interessanten Aspekt bezüglich der Verbreitung der HEV-Infektion in Europa warfen vor kurzem zwei Untersuchungen in Dänemark und Großbritannien auf. Beide Studien wiesen nach, dass die Durchseuchung mit Anti-HEV in der Bevölkerung vor 10–20 Jahren wohl höher war als heute. Eine gerade abgeschlossene Untersuchung in Deutschland scheint diese Beobachtungen zu bestätigen (Wenzel et al, unveröffentlicht).

Danach handelt es sich bei der Hepatitis E in Europa also nicht um eine neu ausgebrochene Infektionskrankheit. Die Zunahme der gemeldeten Erkrankungen dürfte durch die vermehrte Aufmerksamkeit bedingt sein, die dieser Infektion gegenwärtig zu Teil wird.

Konsequenzen für die Labordiagnostik

Bei der diagnostischen Abklärung einer akuten Hepatitis werden in Deutschland häufig nur serologische Untersuchungen auf Hepatitis A, B und C durchgeführt, wenn keine Reiseanamnese vorliegt. Vor dem Hintergrund der neuen epidemiologischen Erkenntnisse wäre es aber empfehlenswert, auch die Hepatitis E zu berücksichtigen. Der Laborkostensteigerung von ca. 30% (ca. 20€ bei GOÄ 1.0) würde voraussichtlich eine höhere Aufklärungsquote bei akuter Hepatitis unklarer Ursache und Kosteneinsparungen für Folgeuntersuchungen gegenüberstehen.

Zur spezifischen Labordiagnose stehen Antikörperteste zum Nachweis von gegen HEV gerichteten Antikörpern der Klasse IgG und IgM zur Verfügung. Isolierte Anti-HEV-IgM-Befunde sind ungewöhnlich und nicht selten unspezifisch. Eine Sicherung der Diagnose erlaubt der Nachweis der HEV-RNA mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) in Serum, Plasma oder Stuhl. Sie sollte bei allen unklaren Fällen durchgeführt werden. Bei Infektionen von immunsupprimierten Patienten fehlen oft spezifische Antikörper zu Beginn der Infektion. Auch in diesen Fällen muss die Diagnose mittels PCR gesichert werden. Das Konsiliarlaboratorium für HEV steht gerne beratend zur Verfügung.

Quelle: Wenzel/Jilg, Management & Krankenhaus, 1-2/2014

pdfWenzel_Jilg-HEV_in_D_relevant.pdf